100 Tage

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100 Tage, 8 Länder, 51 Übernachtungsorte, 4500 km Strasse, 14 Städte, 4 Nationalparks, 30 Bücher, 10 SIM-Karten, 138 Streite, 138 Versöhnungen.

Vor genau 100 Tagen sind wir mit einer speziellen Mischung aus Vorfreude, Spannung, Abschied, schlechtem Gewissen, Unsicherheit und dem sicheren Gefühl unsere Komfortzone zu verlassen losgefahren.

Nach 100 Tagen voller Erlebnisse, Entdeckungen, 100 Tagen auf engstem Raum, 100 Tagen Überraschungen und Enttäuschungen, 100 Tagen mit vielen Begegnungen und vielen Konfrontationen, haben sich viele dieser Anfangsgefühle in Luft aufgelöst und andere sind viel präsenter geworden.

Zeit für einen Rückblick, ein Fazit über das voraussichtlich erste Drittel unserer Reise.

Was haben wir gut geplant und was weniger. Was würden wir an Johnny anders machen und was genau so nochmal. Welche Erwartungen sind eingetroffen und welche Vorurteile wurden bestätigt.


Angefangen bei der Planung und der Organisation. Zum Glück haben wir 23 Jahre und 4 DIY-Vans Erfahrung, was uns vermutlich vor vielen Überraschungen bewahrt hat.

  • Alles Administrative wie Bank, Geld, Versicherungen, usw. funktioniert soweit einwandfrei. 
  • Unser ziemlich detailliertes Budget, geht zu – sagen wir mal – 90% auf.
  • Post empfangen oder versenden ist mühsamer als gedacht. 
  • Beim Thema «Schule» mit den Kids waren wir nicht blauäugig, jedoch ist es wirklich extrem schwierig. Wir haben nun seit einiger Zeit ein «Wochenplan» der gar nicht mal so schlecht zu funktionieren scheint.

Auch wenn wir lange dachten, unsere Reise vielleicht besser in Richtung Frankreich, Spanien oder Italien zu starten, weil wir diese Länder kennen, haben wir den Entscheid in Richtung Balkan zu fahren noch keine Sekunde bereut. Im Gegenteil: auch trotz zum Teil unlösbar zu scheinenden Problemen im Land und wirklich krassen Bildern, würde ich z. Bsp. Albanien sofort wieder oder nochmals richtig bereisen. Wir haben uns immer wohl, willkommen und sicher gefühlt.


Dass das Reisen mit einem Van und zu viert anstrengend und zeitaufwendig ist, wussten wir bereits. Aber wie sich das Ganze entwickelt bei einer längeren Reise war schwierig einzuschätzen. 

  • Das Verhältnis 1:2 zwischen Freistehen und Übernachten auf Campingplätzen ist bis jetzt gut. Beides hat seinen Reiz und seine Berechtigung. Freistehen ist gratis, freier, unkomplizierter und wird durch eine klar andere Klientel genutzt. Campingplätze sind immer legal, wir können duschen, Wäsche waschen und uns ausbreiten.
  • Häufig auch mehrere Nächte an einem Ort zu bleiben, hat sich besonders auf die Kids positiv ausgewirkt.
  • Das Leben auf so engen Platzverhältnissen schweisst extrem zusammen, löst aber auch viele Konflikte aus, die anstrengend auszutragen sind. (Es sind immer alle anwesend).
  • Jeden Tag neu zu entscheiden in welche Richtung oder auf welchen Campingplatz wir fahren, welche «must see’s» wir anschauen wollen oder doch nicht, ist irgendwann anstrengend und ermüdend. Gleichzeitig ist aber gerade die Recherche und die Vorfreude auf den nächsten Stopp der Antrieb, weiter zu machen. 
  • Mit der Zeit wird es einem egaler wo man die Nacht verbringt. Es muss und kann nicht immer ein Insta-Spot sein.

Die Befürchtung das es mir z.B. langweilig wird, hat sich nicht bestätigt. So unterwegs zu sein ist unglaublich aufwändig. Es ist eher so, dass mir die Zeit fehlt etwas für mich zu tun.

Etwas zu bauen, erstellen oder zu konstruieren fehlt mir schon. Da möchte ich in nächster Zeit etwas ändern.

Bei den Kids ist es sehr davon abhängig wo wir sind oder ob es andere Familien hat. Dies können wir bis jetzt aber relativ gut steuern.


Johnny, unser Haus auf Rädern, unser fahrender Technik-Nerd-Kasten, funktioniert bis dato einwandfrei. Technisch gibt es klar Verbesserungs-Potential oder Dinge die einfach nerven.

  • Im SCA-Schlafdach ist es nicht wie viele denken zu kalt, sondern viel zu laut. Du hörst jeden Hund bellen. Wind ist sehr laut und nicht zuletzt der Verkehr, den wir fast überall auch hören. Das Schlafdach befindet sich auf 3 Meter Höhe, dies ist akustisch extrem ungünstig.
  • Die Standheizung ist innen in Betrieb noch zu laut. Am Montag bringt uns ein netter Mitarbeiter eines ansässigen Autotherm-Vertreters die benötigten Umbauteile.
  • Immer noch oder immer wieder haben wir zu wenig Platz für Dreckwäsche und Schuhe. Je mehr Kleider du dabei hast desto länger geht’s ohne zu waschen. Aber eben nur, wenn du genügend Platz hast für Dreckwäsche.
  • Die Velos sind bisher eher Last als Vorteil. Häufig ist es schlicht und einfach zu gefährlich mit den Kindern auf den Strassen zu fahren! Einkaufen ist entweder fussläufig erreichbar oder dann auch mit dem Velo irgendwie zu weit.

Es gibt aber auch Dinge die in den drei Monaten wirklich super funktionierten:

  • Wir haben ein ziemlich aufwändiges Trinkwassersystem. Dank diesem, haben wir noch keine einzige PET-Flasche gekauft und trinken quasi nur Wasser aus Johnny.
  • Wir haben ein WC. Ohne unterwegs zu sein ist ein absolutes No-Go! Die Trocken-Trenntoilette funktioniert nach anfänglichen Problemen nun einwandfrei und wir würden die nicht wieder hergeben.
  • Die Kinder haben dank dem SCA-Schlafdach je ein eigenes Bett. Anders würde es vermutlich nicht gehen.
  • Insgesamt haben wir drei Kochmöglichkeiten: Strom, Gaskartuschen-Kocher, Sprit-Kocher …zum Glück! Denn entweder Strom oder Bioethanol, Sprit oder Gas war immer verfügbar.
  • Für unsere Schweizer Handy Nummern haben wir nur Prepaid-SIMs. Die eigentliche Connectivity erfolgt via lokalen SIM-Karten. Dies hat sich als zwar aufwändig in der Beschaffung, aber viel lukrativer (finanziell und Leistung) herausgestellt.

Klar, wie in den Ferien fühlen wir uns nach drei Monaten nicht mehr, ein gewisser Alltag ist eingekehrt. Aber all die Eindrücke, die Menschen, die Natur, die Kulinarik, sind so unerschöpflich, dass uns die Lust auf Neues noch nicht vergangen ist und uns auch noch lange nicht vergeht, hoffentlich!

2 Antworten zu „100 Tage“

  1. Avatar von Werner Burri
    Werner Burri

    Super spannend und interessant, dein Fazit nach 100 Tagen zu lesen! Ich bewundere euch immer wieder, dass ihr dieses Abenteuer unternehmt, eure klugen und guten Vorbereitungen, eure spannenden aber teilweise auch ehrlichen und kritischen Berichte.
    Natürlich wünschen wir euch, dass auch die nächsten 200 Tage unfallfrei und ohne grössere Probleme verlaufen, dass ihr weitere interessante Orte und Menschen kennenlernt.
    Wir freuen uns schon, euch irgendwann irgenwo in Europa zu treffen.

  2. Avatar von Christine
    Christine

    Bravo! Super Bericht! Wünsche weiterhin gute Fahrt!

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