Unterwegs in Bosnien und Herzegovina

by

Durchs Tal und immer am Ufer der Neretva entlang fuhren wir bis nach Jablanica, wo wir in einem Seitental frische Forellen kauften und dann einen Mittagshalt einlegten. Dort gibt es die dreimal zerstörte und viermal wieder aufgebaute Eisenbahn-Brücke, eine skurrile Attraktion: Ältere Bilder zeigen eine spektakulär ins Wasser hängende zerstörte Brückenkonstruktion. Heute steht eine eher modern wirkende Rekonstruktion inklusive Fussgängerbrücke da. Die Geschichte der Brücke ist jedoch interessant: während des zweiten Weltkrieges kam es in Jablanica zur «Schlacht an der Neretva» wobei die Brücke erst von den lokalen Truppen als Täuschungsmanöver, dann von den Angreifern zerstört wurde. Ein Drittes Mal wurde die Brücke für den internationalen Kriegsfilm «The Battle of the Neretva» gesprengt, denn der Regisseur erhoffte sich ein möglichst reales Bild. Leider waren die Filmaufnahmen wegen zu grosser Rauchentwicklung nicht brauchbar und die Szene musste im Studio nachgestellt werden. Die Brücke war allerdings defitniv zerstört. 1991 wurden bei einem Hochwasser der Neretva viele Teile weggeschwemmt, so dass es erneut einer Rekonstruktion bedurfte. Diese scheint nun fertig zu sein. Nichts desto trotz wurde die Brücke neben dem Gedenk-Museum zu einem touristischen Ort, was er heute noch ist. 

Weiter fuhren wir durch bewohntes und landwirtschaftlich genutztes Gebiet nach Bugojno. Diese Region im Kanton «Zentralbosnien» wird uns als «Chabisland» in Erinnerung bleiben, denn alle paar Meter stand ein kleiner oder mittelgrosser Marktstand, an dem weisse Kabisköpfe in Säcke abgefüllt angeboten wurden. Sonst nichts, einfach Kabis. Praktisch zu jedem Haus, die übrigens hier meist ohne Verputz dastehen, aber trotzdem bewohnt sind, gibt es ein kleines Feld auf dem Weisskohl angebaut wird. Manchmal steht noch eine angekettete Kuh im Garten.
Dass der Winter naht, erkannten wir spätestens hier, an dem Holz, das überall zum Feuern und Heizen vorbereitet wurde. Gesägtes Holz, zum Teil schon sortiert nach der Dicke der Äste und Stämme, lag bei fast jedem Haus daneben. Und auch hier roch es, wie schon in Mostar, überall nach Holzfeuer.

Kupres ist die höchstgelegene Stadt in Bosnien und Herzegovina und vom Bugojno ging es noch ein ganzes Stück den Berg hinauf. Kaum waren wir aus der Stadt raus, fielen uns die Strassenhunde bei jeder Haltebucht auf. Die waren da, wegen der vielen Abfallsäcke, die offenbar hier «entsorgt» werden.

Der Stellplatz, den wir in Kupres anfuhren liegt auf 1300 Meter über Meer, direkt am Fusse des Skigebiets «Stožer». Den Sessellift und den Eingang zum Snowpark haben wir von da aus gesehen und Anfang November schon ein bisschen Winterluft geschnuppert. Übrigens haben wir recherchiert und gelernt, dass nicht nur Fahrzeuge aus der Schweiz, Deutschland und Österreich in den Balkan exportiert werden, sondern auch «alte» Sesselbahnen aus den reichen Skiregionen hier zum Teil wieder aufgebaut werden. Die Sesselbahn beim «Stožer» war vorher in Österreich im Einsatz.

Wir kamen schon bei Dunkelheit auf dem Stellplatz «Camping Iglena» an, machten schnell ein Lagerfeuer und kochten draussen Risotto während die Fische auf dem Rost über dem Feuer grillten. Schon kurz nach unserer Ankunft fiel uns auf, dass immer wieder Autos zum Snowpark fuhren und kurze Zeit später wieder runterkamen und wir fragten uns, was denn da oben so Spannendes sein soll. Auch am Morgen fanden wir nicht heraus, wohin all die Autos fuhren und weshalb sogar die Polizei zum Snowpark fuhr. Eine kurze Zeit waren wir sogar unsicher, ob wir der Grund für all diese Autos sind. Angesprochen hat und jedoch niemand. Als wir dann später eine Nachricht vom Stellplatzbesitzer erhielten, der uns fragte, ob alles gut ging und ob wir den Bären gesehen haben, welcher sich offenbar an diesem Abend / in dieser Nacht direkt oberhalb des Campingplatzes aufgehalten hat, ging uns ein Licht auf. An einen Bären hatten wir glücklicherweise nicht gedacht, sonst wäre uns eine schöne Zeit am Lagerfeuer unter dem Sternenhimmel entgangen.

Der Grund, warum wir gerade in Kupres gelandet sind war weder das Skigebiet noch das Bärenaufkommen. Um ehrlich zu sein führten uns Gouda, Edamer und all die langweiligen Käsesorten hierher, also eher unser Verlangen nach Käse mit Geschmack. Laut einem Bericht über das «Balkan Cheese Festival» gibt es hier nämlich den besten Käse in Bosnien und Herzegovina. Wir fuhren also zur Käserei «Kupres Milch» um uns mit Hartkäse einzudecken.

Zuerst waren wir uns nicht sicher, ob wir hier richtig sind. Das von aussen unscheinbare und ältere Industriegebäude war weder angeschrieben, noch liess sich ein Verkaufsladen darin vermuten.

Ein Mann, der wirkte, als hätte er schon auf uns gewartet, winkte uns herbei und sagte «Herzlich Willkommen». Über diese deutsche Begrüssung freuten wir uns sehr, das hätten wir nicht erwartet. Auch nicht, dass wir kurzerhand gebeten wurden, uns was Wärmeres anzuziehen (Nino war in Tshirt, kurzer Hose und FlipFlops ausgestiegen). Dann wurden wir freundlich und als hätten wir hier einen Termin für eine Besichtigung, in die Käserei eingeladen. Schnell lernten wir Smail kennen, den ehemaligen Krankenpfleger, der vor ein paar Jahren seinen Job und seine Familie in Sarajewo verlassen hatte, um in Kupres Käser zu sein. Das idyllische Bergdorf hatte zuvor keine aktive Käserei mehr und er hatte sich vorgenommen, hier einen guten Käse zu machen. Ohne Zusatzstoffe, bloss mit dem, was vor Ort da ist, betonte er mehrmals. Mittlerweile sassen wir zusammen mit ihm und seiner einzigen Angestellten im Gästeraum. Uns wurden 3 Sorten Käse zu bosnischem Kaffee und Saft serviert und Smail erzählte seine Geschichte, liess uns durch seine Worte in sein Leben blicken. Zum Beispiel, dass seine Käserei wegen Covid fast Konkurs anmelden musste und keine sataatliche Hilfe zur Verfügung stand. Er sprach ehrlich und direkt über die verschiedenen Ethnien und Religionszugehörigkeiten in BIH, die Mentalität, die kriegsmüden «Alten» und die grosse Abwanderungswelle der Jungen. Smail sprach über die Politik in seinem Land, wo er versuchte, in die Stadtregierung von Sarjewo zu kommen um was zu bewegen, über das Scheitern durch Vetternwirtschaft, über Korruption und Schmiergelder bei der Polizei. Aus einem kurzen Käseeinkauf wurde ein spannender 3-stündiger Besuch mit ausgiebiger Käseverkostung und einer Führung durch die Käserei, wo Smail uns und den Kindern alles sehr anschaulich erklärte.

Wir hätten ihm noch lange zuhören können, wie er über das Leben in seinem Land, einem der ärmsten Länder Europas, sprach und hätten auch noch viele Fragen gehabt. Aber langsam mussten wir weiterziehen. Also kauften wir von allen Käsesorten ein Stück und verabschiedeten uns dankend bei Smail. Mit den Worten «Fahrt langsam und vorsichtig» entliess uns der Käser von Kupres und winkte uns noch eine Weile nach.

Richtig beeindruckt von dieser Begegnung und der grossen Gastfreundschaft sprachen wir auf unserer Weiterfahrt noch lange über Smail und vor allem seine letzten Worte hallten uns nach.. denn wer in Bosnien unterwegs ist, tut gut daran langsam und vorsichtig zu fahren. Nach dem Motto «geschter isch o kene choo» oder «dr Anger luegt de scho» wird hier frischfröhlich über die doppelte Sicherheitslinie überholt. Wir haben manche sehr gefährliche und knappe Situation miterlebt. Vermutlich eine Folge fehlender Konsequenzen seitens der Polizei. Die wenigen Polizeistreifen, welche wir gesehen haben, verhielten sich nämlich nicht vorbildlicher. Es erstaunt uns deshalb nicht, dass die Unfallrate in Bosnien um ein x-faches höher ist, als in der Schweiz.

Die Hauptverbindungsstrassen in Bosnien sind sehr gut ausgebaut, so auch die, die über die Hochebene von Kupres, dann rauf auf den Pass und wieder runter bis nach Livno führte. Sicher und gewissenhaft wie immer, fuhr Marco unseren Johnny auch an diesem Tag zu unserem nächsten Übernachtungsplatz zum «Camp Struba». Es war kalt und windig als wir ankamen. Zum Kochen durften wir deshalb das kleine Gartenhaus der Familie nutzen, welches während der Saison wohl auch als Campingplatz-Restaurant genutzt wird. «Camp Struba» ist sehr idyllisch an einem natürlichen Bachlauf gelegen und hat erst seine erste Saison hinter sich. Das Sanitärhäuschen ist neu, vieles war noch gar nicht fertig und alles wirkte ein bisschen privat. Allgemein fühlte sich für uns ein Campingplatz-Aufenthalt in Bosnien fast so an, wie Freistehen in der Schweiz: vollkommen in der Natur und alleine, aber alles total legal.

*** noch was Lustiges zu Kupres: Am 30. Juli 2017 brach die Stadt Kupres einen Weltrekord, indem sie 2325 Menschen mit dem Namen «Ivan» am städtischen Stadion versammelte und somit ins Guinness-Buch der Rekorde eingetragen wurde.

2 Antworten zu „Unterwegs in Bosnien und Herzegovina“

  1. Avatar von Christine
    Christine

    ..soooo gut dieser spannende Reise-/Erlebnisbericht. Freue mich immer sehr über deine/eure Abenteuer! Gute Fahrt!

    1. Avatar von Katja
      Katja

      Danke!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert