Bosnien und Herzegowina war eines der Länder, auf das wir sehr gespannt waren und das uns auch ein bisschen einschüchterte. Einerseits hatten wir schon viele tolle Reiseberichte und Landschaftsbilder gesehen, andererseits haben auch wir Erinnerungen an die 90er Jahre: Damals waren die schrecklichen Nachrichten zum Bosnienkrieg aus «Sarajewo» und «Srebrenica» allgegenwärtig.
Bosnien und Herzegowina – Hier begegneten uns auf unserer Reise erstmals traurige Gegebenheiten, die wir in dieser Art noch nicht gesehen hatten. Zum Beispiel die «Danger-Schilder», die vor Landminen warnen und immer wieder an die Vergangenheit erinnern, oder die vielen Gedenkstätten mit Fotos von Unfallopfern am Strassenrand, und auffallend viele Friedhöfe; Friedhöfe, mit vielen Gräbern, muslimische und christliche. Letztere waren bunt mit Blumen und grossen Grabkerzen geschmückt. Auch unseren Kindern fiel es auf: «Bosnien ist das Land der Grabkerzen», meinte Annalena einmal, als ihr beim Einkaufen die grosse Auswahl derer direkt im Eingangsbereich des Supermarkts auffiel.
Auffallend war auch, dass bei der Fahrt durchs Land eigentlich immer ersichtlich war, welche Etnität hier hauptsächlich vertreten ist. In der Republica Srpska, die mit riesigen Tafeln gross angekündigt wird, begegneten wir überall den rot-blau-weiss gestreiften Fahnen und auf den Strassenschildern, die in BIH meist zweisprachig sind, stand die serbische Schreibweise in kyrillischer Schrift zuerst. In der Region Bosnien und Herzegowina war hingegen die hier an zweiter Stelle stehende kyrillische Schreibweise, oft übersprayt und nicht mehr lesbar. Die neuen Bilder stimmten uns sehr nachdenklich und unsere Fahrtgespräche wurden ernster. Dieses Betonen einer Zugehörigkeit innerhalb eines einzigen Landes – was sehr rivalisierend wirkte – erscheint uns schwierig und beeinflusste irgendwie auch unsere Stimmung.
Erst im Nachhinein fiel uns auf, dass wir während der Zeit in Bosnien nur wenig lächelnde Menschen gesehen haben. Mag sein, dass das nasse und finstere Wetter seinen Teil dazu beitrug; dass Bosnien und Herzegowina ein vom Krieg stark betroffenes Land ist, ist jedoch eine traurige Tatsache. 30 Jahre später funktioniert vieles noch nicht wie gewünscht, Strukturen fehlen und die Wirtschaft hat sich noch nicht erholt. Viele Einwohner:innen sind immer noch arm und die Arbeitslosenquote ist hoch. Ein durchschnittliches Monatseinkommen beträgt 600 Euro.
Angesichts der aktuellen Weltlage waren diese Eindrücke für uns ziemlich schwer zu verdauen. Die Sinnlosigkeit eines Krieges wird so noch deutlicher; wenn dieser zwar vorbei ist und trotzdem noch wie ein Schleier über dem Land hängt. Wie viele Generationen braucht es wohl, bis ein Land im Krieg, das Geschehene überwinden kann?
Auch haben wir in dem Land viel Müll gesehen. Neben vielem Plastikabfall standen überall alte, rostende Autos – zum Teil aufeinander gestapelt. In den Vorhöfen, auf den Feldern, am Strassenrand. Auffallend waren tatsächlich die vielen VW-Golf-Modelle. Da kam uns immer wieder der Spruch von Jakov, unserem Wild-Horses-Tourguide in den Sinn: «Die Bosnier: Die Frau kommt von hier, das Auto aus Deutschland».
Nach unserer Jeep-Tour stand eine Entscheidung an, denn die Sonne bekamen wir während der Zeit in Bosnien und Herzegowina fast gar nicht zu Gesicht und es wurde immer kälter. Der Regen verwandelte sich zeitweise sogar in Schneeregen. Zudem war der Wind war bissig und kam vor allem in der Nacht, was bei allen zu schlechtem Schlaf führte, denn im Schlafdach sind Windböen sehr laut und reissen uns immer wieder aus dem Schlaf. Die Stimmung war gereizt und es war schwierig, trotz tollem Ort, dem «Draussenleben» noch viel Positives abzugewinnen. Als wir dann auch noch bemerkten, dass Johnny undicht ist und das Regenwasser an einem Ort rein tropft, an dem es eigentlich gar nicht können sollte, unser Mixer den Geist aufgab und ich fast unser elektrisches Kochfeld schrottete, war die Moral vollkommen im Keller.
Viele Orte in diesem Land hätten uns noch gereizt, denn Bosnien hat in Sachen unberührter Natur viel zu bieten. Zum Beispiel der Nationalpark Una mit tollen Wasserfällen oder der Nationalpark Sutjeska mit dem Perućica-Urwald. Auch die Hauptstadt Sarajewo hätten wir gerne besucht, doch so hatten wir keine Lust mehr, nördlicher oder östlicher zu fahren und wollten nur noch in die Sonne. Also trafen wir den Entscheid, mit zwei, drei Stopps zum Schlafen durch Montenegro und Albanien durchzufahren um ins warme Griechenland zu gelangen.
Bosnien und Herzegowina hinterlässt in uns ein zweigeteiltes Gefühl. Einerseits hatten wir hier sehr überraschende und interessante Begegnungen mit herzlichen Menschen, die uns lange in Erinnerung bleiben werden, andererseits wirkte das Land auf uns traurig, müde und irgendwie resigniert.
Wir sind uns nicht sicher, ob wir je wieder nach Bosnien und Herzegowina reisen werden, sind aber gleichzeitig sehr gespannt, wie sich das Land entwickeln wird. Ganz sicher sind wir, dass es auch hier noch viel Schönes zu entdecken und erleben gäbe.
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