Ein cooles Offroad-Abenteuer

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An den drei Tagen, an denen wir in Livno waren, hatten wir sehr viel Regen und Wind und es wurde richtig kalt. Leider überhaupt nicht das geeignete Wetter dafür, was wir hier geplant hatten. Bei «Livno Wild Horses Adventure Tours» hatten wir nämlich eine Jeep-Tour gebucht. Nur mussten wir noch auf besseres Wetter warten. Am Samstag war es dann soweit und gemeinsam mit anderen Tour-Teilnehmer:innen nahmen wir Platz im alten Landrover «Landa». Jakov, der Inhaber von «Livno Wild Horses Adventure Tours» begrüsste uns und erzählte uns die Geschichte der Stadt Livno und deren Bevölkerung und wie es dazu kam, dass auf dem weiten Hochplateau oberhalb der Stadt, auf 1200 M.ü.M. bis zu 800 Wildpferde leben.

Gemütlich ruckelten wir in «Landa» den Kiesweg hoch, blickten über die Stadt wo noch historische Gebäude aus der Zeit der österreichischen Annexion durch Kaiser Franz Josef und seine berittenen Truppen zu sehen sind. Auch zahlreiche Kirchen und Moscheen konnten wir von oben sehen. Denn auch in Livno leben drei verschiedene Ethnien und Religionsrichtungen miteinander. Er selbst sei Kroat mit einem kroatischen, also EU-Pass, wie alle bosnischen Kroaten, meinte Jakov, und er erzählte uns, dass viele junge Leute deshalb zum Arbeiten ins 2 Stunden entfernte Kroatien fahren oder gar das Land verlassen. Denn auch er bemerkte: die Perspektive ist klein, und man muss selber aktiv werden, um seine Zukunft in Bosnien und Herzegowina zu gestalten. Auch das Problem mit dem Müll hat Jakov angesprochen, wobei er zuerst auf die weite Landschaft, dann auf den stark vermüllten Wegrand deutete: «Das hier ist das schöne Land Bosnien und Herzegovina, und das hier ist leider die Mentalität der Bosnien:innen.» meinte er. Man sei seit Jahren dran, das Problem zu lösen, und man käme nur zaghaft voran, was auch eine Folge des komplizierten politischen Systems* sei.  «The most unecologic fence in the world», wie Jakov, ihn nannte, bekamen wir zu Gesicht, kurz nachdem wir auf der Hochebene angekommen waren: ein Viehzaun aus alten Pneus, nahe der einzig ganzjährig bewohnten Hütte. «11:55» steht gross daneben, gelegt aus dem selben Material. Es ist sogar auf GoogleMaps zu sehen. Fünf vor Zwölf dauert wohl auch hier noch etwas länger an…

Die Hochebene «Kruzi» unterhalb des Bergs «Cincar» ist riesig; genau 150 km2 gross; und wir fuhren weiter auf der Schotterpiste und freuten uns über jede grosse Regenpfütze, die wir passierten und das Wasser an «Landa» hochspritzte. Ein richtig cooles Offroad-Abenteuer! Wir hielten Ausschau nach den Wildpferden – noch waren keine zu sehen. Jakov, wusste natürlich genau, wo sie zu finden sind. Doch zuvor hielten wir an einem Ort mit einem grossen Kreuz, hoch oben über einem ehemaligen Seengebiet. Hier sei eine konstante Kriegslinie gewesen, erzählte uns Jakov, weshalb der Wald zu unseren Füssen ein Minenfeld sei. Nun erblickten wir auch hier die roten Gefahrentafeln, welchen wir auch schon kurz nach unserer Einfahrt ins Land begegnet waren. In wild bewachsenen Gebieten säumen hier solche Minen-Schilder den Strassenrand und machen nachdenklich. Etwas versöhnlich stimmt die Tatsache, dass in solchen Gebieten viele Wildtiere wie Hirsche, Rehe, Bären, Hasen und Wölfe total ungestört leben können, weil die Menschen wegbleiben.

Bevor wir weiterfuhren erzählte uns Jakov, wie sich die Pferde in der Gruppe verhalten, wenn sie von Wölfen angegriffen werden: Sie stellen sich in einen Kreis, mit den Köpfen nach innen, um ihre Hälse und die Jungtiere zu schützen und mit den Hinterteilen nach aussen. Bei einem Angriff wird mit den Hinterbeinen ausgeschlagen. Es ist für die Pferde überlebenswichtig, dass sie Gefahr schon von Weitem sehen und ungehindert in alle Richtungen fliehen können.

Weiter ging es durch die Weite der Hochebene. Wir fuhren vorbei an alten Stallungen aus der Zeit der Österreicher und hier erfuhren wir, dass es ein Soldat mit Schweizer Wurzeln gewesen sein soll, der das Käsen nach Livno brachte. Vor vielen Jahren wurde hier der erste Schafskäse in Livno hergestellt, um die Kavallerie zu versorgen. 

Jakov nahm immer wieder sein Fernglas und das Funkgerät und funkte mit den anderen beiden Wagen. Endlich war es soweit und wir konnten die ersten Wildpferde sehen. Langsam fuhren wir zu ihnen hin. Sie hatten uns schon lange bemerkt, uns nicht als Gefahr eingestuft und entschieden, zu bleiben. Nach klaren Worten, wie wir uns gegenüber der Pferde verhalten sollten, durften wir leise und ruhig aussteigen. Erst blieben wir eine Weile stehen, so dass wir uns gegenseitig beurteilen konnten. Es war spannend zu beobachten, wie die Gruppenhierarchie durch Körpersprache funktionierte. Ein Hengst pro Gruppe signalisierte klar, was er den Stuten und Jungtieren erlaubte, und was nicht. Bald konnten wir uns frei bewegen und uns den Pferden nähern, unsere Hände zum beschnuppern anbieten und abwarten, ob die Tiere an uns interessiert waren oder nicht. Unglaublich, wie sensibel die Tiere auf uns reagierten, uns beschnupperten, sich berühren liessen und schnell auch unsere Unsicherheiten bemerkten und sich ruhig aber deutlich von uns abwandten. Auch die Reaktionen auf andere Pferdegruppen konnten wir beobachten. Wie die Leittiere die Stimmung der anderen Gruppe abcheckten, einander zu wieherten und dann entschieden zu bleiben oder ruhig wegzuziehen.

Während wir weiter fuhren, konnten wir in der Ferne auch Herden springender Pferde mit wehenden Mähen sehen. Dieses weite Land, das die wilden Tiere beheimatet ist allerdings weder geschützt noch wahnsinnig geschätzt. Gemäss Jakov interessieren sich viele Einheimische überhaupt nicht für die Pferde und verstehen nicht, weshalb sie zu schützen sind. Eine grosse Fläche des Landes sei privat; lange schon, so dass wohl gar nicht alle Familien noch wüssten, dass sie in dessen Besitz seien. Es sei auch so, dass sich niemand um die Pferde kümmere, allerdings nicht aus der Überzeugung heraus der Natur ihren freien Lauf zu lassen, sondern weil niemand die Verantwortung übernehmen wolle. Denn es passieren immer wieder Verkehrsunfälle, da die Pferde im Winter an die Stassen kämen, um das Salz zu schlecken.

Nach vier Stunden auf holpriger, feuchter und zunehmend kälter werdender Entdeckungsreise waren wir dann doch froh, wieder zurück auf der geteerten Strasse zu sein. Als Abschluss besichtigten wir die Trinkwasserquelle Livnos, ein mit grossem Druck direkt aus dem Fels fliessender Wasserfall, wo wir unsere Wasserflaschen auffüllen konnten. Die alten Gebäude um die Quelle herum dienten früher dazu, Wolle zu verarbeiten. Heute stehen sie leer und verrotten, weil die Bewohner alt und genügsam sind und nicht verkaufen wollen. Jakov hätte einige Ideen, was er aus der alten Mühle in seinem Heimatort alles machen könnte. Vielleicht muss er nur noch ein bisschen Geduld haben… vielleicht wird aber auch dieses Gebäude in sich zusammenfallen und als Ruine liegen bleiben.

Nino hat ebenfalls einen Bericht zur Wild Horses Tour verfasst, den findest du hier.

*Das politische System wird von Wissenschaftlern und Journalisten häufig als «kompliziertestes Regierungssystem der Welt» bezeichnet. Der Gesamtstaat, die beiden Entitäten Federacija Bosne i Hercegovine und Republika Srpska und die 10 Kantone haben jeweils eigene legislative und exekutive Strukturen. Dazu unterliegt der Staat noch einem internationalen Mandat: Faktisch übt einen Teil der Staatsgewalt der Hohe Repräsentant als Vertreter der internationalen Gemeinschaft aus. ((Quelle: Wikipedia))

2 Antworten zu „Ein cooles Offroad-Abenteuer“

  1. Avatar von walter bieri
    walter bieri

    Danke für den interessanten Bericht.

    1. Avatar von Katja
      Katja

      ❤️

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