Nach zwei Nächten verabschiedeten wir uns von Alec und seinem gastfreundlichen Campingplatz und zogen weiter in Richtung Mostar. In Mostar gibt es einen super zentralen Camper-Stellplatz, den wir zügig ansteuerten. Denn ich hatte ein bisschen Bedenken, dass wir dort noch einen freien Platz bekommen würden. Als wir in die Strasse einbogen, war es, als würden wir schon erwartet. Eine Frau winkte uns rein, fragte wie lange wir bleiben möchten. Ich war erleichtert, dass es noch Platz für uns hatte, denn der Stellplatz neben einem Privathaus ist nicht sehr gross und hat etwa Platz für 4-5 Camper. Dachten wir… denn direkt nach der Einfahrt auf den Platz wurden wir angewiesen unseren Johnny um 360 Grad zu drehen und zuhinterst in die Ecke zu stellen. Was für uns kurz eine Challenge war, war für den Einweiser eine klare Sache. Denn er hat die Aufgabe, so viele Fahrzeuge wie möglich auf den Platz zu stellen. Das sind gut und gerne 9-10 Camper und zusätzlich noch PWs.
Nachdem wir sehr bestimmt, mit gutem Augenmass und in Millimeterarbeit eingewiesen worden waren, richteten wir uns ein, genossen auf der stellplatzeigenen Terrasse unser Zmittag-Picknick in der Sonne. Von hier aus hatten wir freie Sicht auf das Wahrzeichen der Stadt: die alte Brücke «Stari Most», der Mostar seinen Namen verdankt. Sie verbindet den mehr muslimisch geprägten Ostteil mit dem stärker katholisch geprägten Westteil der Stadt und gilt daher seit Jahrhunderten als symbolisches Bindeglied zwischen Ost und West. Die Brücke wurde allerdings während des Bosnienkriegs von kroatischen Streitkräften zerstört. Nach Kriegsende, ab 1995 erfolgte mit internationaler Hilfe der Wiederaufbau. Nicht nur wegen ihrer architektonischen Einmaligkeit, sondern auch aufgrund der grossen Symbolkraft der Brücke wurden das Bauwerk und seine historische Umgebung 2005 in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen.
Wir hofften, den Brückenspringern von Mostar beim Springen zuzuschauen. Als wir ankamen standen zwei von ihnen hoch oben auf dem Geländer und liessen sich anfeuern. Doch offenbar kam an diesem Nachmittag zu wenig Geld zusammen, denn keiner ist schlussendlich gesprungen. Wir haben gehört, dass es mindestens 50 Euro in der Gemeinschaftskasse braucht, damit einer der Berufsspringer, den nicht ganz ungefährlichen Sprung aus 20 Metern Höhe vorführt.
Am späteren Nachmittag besuchten wir die Altstadt von Mostar. Viel Folklore und traditionelle Handwerksartikel, wie die typischen Kaffeesets aus Kupfer, farbige Glaslaternen oder bunte Tücher säumten den Hauptweg der zur «Stari Most» führte. Wir liefen über die mit runden Steinen gepflasterten Wege und Treppen. Je nach Schuhwerk, war es nicht ganz einfach darauf zu laufen. Auch die glattgeschliffenen Steine auf der Brücke hatten es in sich und wir mussten aufpassen, dass wir nicht ausrutschten. Zum Glück sind wie bei einer Katzentreppe, immer wieder querliegende Steine eingebaut, die das hoch- und runtergehen erleichtern. Das Gewimmel der Leute zwischen den bunten Häusern des Bazars, aus denen Schmuck, Souvenirs und viele süsse Leckereien angeboten wurden, Rauchschwaden und der Geruch nach grilliertem Fleisch, ab und zu ein Hauch von Apfeltabak oder Lavendel in der Luft, das Rauschen der Neretva, die Motorengeräusche der Schlauchboote die Touristen den Fluss hoch und runter fuhren und die Rufe des Muezzin mischten sich zu einer einzigartigen Atmosphäre.
Wir verliessen die Altstadt und erkundeten einen Stadtteil auf der Ostseite von Mostar, wo wir an Läden, Kiosken, Kaffees, Moscheen und immer wieder an alten Gebäuderuinen mit Einschusslöchern vorbei kamen. Letztere waren total überwachsen, durch Gerüste gestützt und mit «Betreten verboten»-Schildern versehen und wir fragten uns, ob diese Gebäude absichtlich stehen gelassen werden.
Im Fabrika Coffee bestellten wir unseren ersten «domaća kafa»: Bosnischen Kaffee, im Kupferkännchen und mit Lokum (süsses Fruchtgelee-Toffee) serviert. Bosnischer Kaffee wird, genauso wie Türkischer Kaffee oder Griechischer Mokka nach ursprünglicher Art zubereitet. Staubfein gemahlenes Kaffeepulver wird in einem Kännchen mit Wasser aufgerührt und im heissen Sandbett oder heisser Glut langsam auf Kochtemperatur gebracht. Beim Ausgiessen in die Tasse kommt der Kaffeesatz mit. Diesen lässt man erst in der Tasse zu Boden sinken. Zusammen mit dem süssen Lokum schmeckte uns der starke Kaffee richtig gut.
Schon tagsüber hörten wir die Muezzin-Rufe, die durch die Stadt ertönten. Sehr speziell war es für uns aber dann am Morgen, als uns die Stimmen, die aus den Minarett-Lautsprechern hallten, weckten: Angenehme Männerstimmen wiederholten versartig Sprechgesänge. Bis zu fünf Mal am Tag ertönen die Rufe und erinnern die Religionsgemeinde daran, die Moschee zu besuchen um zu beten. 46% der Bevölkerung in Mostar sind Musliminnen und Muslime, 50% sind Katholisch. Hier haben wir einen sehr interessanten Artikel gefunden, der gut beschreibt, was wir während unseres Aufenthalts in Mostar gespürt haben.
Diesen Film über die «Mostar Rock School» oder auch die kurze Reportage vom SRF, wo es um die beiden ortsansässigen Fussballclubs geht, finden wir auch sehenswert.
Marcos Geburtstag feierten wir mit einem süssen Frühstück, gefolgt von noch süsseren Baklava und gemütlichem Kaffeetrinken, während es draussen regnete. Dann gab’s einen Johnny-Kino-Nami mit Gummitierli-Snack. Bevor wir uns zum Abendessen in einem Restaurant mit Terrassenblick auf die Stari Most (diesmal von der anderen Seite) niederliessen, erkundeten wir die vielen versteckten Winkel der Altstadt, ein richtiges Labyrinth aus kleinen Restaurants mit Terassen und Innenhöfen.
Im «Urban», das traditionell bosnische Gerichte serviert, liessen wir es uns richtig gut gehen. Marco und Nino bestellten zusammen eine Auswahl an gegrilltem Fleisch, Annalena versuchte Fleischbällchen mit Tomatensauce und ich bekam Erbsenfalafel und ein Schopska-Salat. Als Vorspeise wurde uns ein extrem feiner Frischkäse mit Fladenbrot gebracht. Und natürlich hatten wir auch noch Platz für einen süssen Abschluss und probierten die für die Region typische «Smokvara», eine Mehlspeise mit braunem Zucker und Feigensirup. Zufrieden und mit vollen Bäuchen kehrten wir zurück zu Johnny und kuschelten uns unter die warmen Bettdecken.
Schreibe einen Kommentar